Strate­gische Priori­täten & IT Kosten

Das Dilemma aus Kosten, Komplexität und Digitalisierungsgrad.

Im Rahmen eines Kundenmandats wurden verschiedene Themen gebenchmarked – und dabei auch die Prioritäten, die in der IT derzeit gesetzt werden. In der Zusammenarbeit mit einem Benchmark-Unternehmen wurden dabei die folgenden Top-Prioritäten formuliert:

  1. IT Security
  2. Digitalisierung
  3. Cloud Computing
  4. Agilität / Flexibilität der IT
  5. Reduzierung der Komplexität
  6. Rekrutierung von IT-Skills
  7. IT-Kostensenkung

Es folgen noch einige weitere Themen, die mehrheitlich auf Kostensenkungen & -verrechnung ausgerichtet sind.

Was bei der Liste auffällt, ist der Widerspruch zwischen den ersten vier Themen und dem fünften Thema. Alle Top 4 Themen steigern grundsätzlich die (technische) Komplexität einer Unternehmensinformatik: Neue Ansätze für den Betrieb von Infrastruktur und Applikationen gehen üblicherweise mit einer höheren Komplexität der Gesamtlösung einher.

Steigende Komplexität ist ein Zeichen des Fortschritts

Als Beispiel sei die Virtualisierung von Rechenpower angeführt:

  • Früher gab es den Server, der in einem Rack steht und auf dem eine Applikation betrieben wird. Ein Server hat eine Aufgabe und ist klar zuordenbar.
  • Mit der Virtualisierung beginnt die Komplexität: Nun gibt es zwar noch physische Server, plötzlich sind dazu jedoch noch zusätzliche Storage-Systeme notwendig. Auf den Servern werden verschiedenste virtuelle Server betrieben, weswegen auch die Netzwerke virtualisiert werden müssen.
  • Heutzutage sind containerbasierte Modelle immer stärker im Fokus – ganze Infrastrukturen werden horizontal skaliert mit hybriden Betriebsmodellen zwischen Vorort-Rechenzentrum und Cloudcomputing.

Auch ohne weiter in die Details zu gehen wird klar, dass letzteres Betriebsmodell eine deutlich höhere Komplexität aufweist als ersteres. Die notwendigen Jobprofile ändern sich und höher qualifizierte Mitarbeiter werden notwendig, um nur schon eine Basisinfrastruktur zu betreiben.

Grosse Herausforderungen hierbei in den Kosten: Aufbau und Betrieb moderner Infrastrukturen benötigen ein umfassendes Verständnis der Möglichkeiten sowie der Art und Weise, wie die Lösungen eingesetzt werden. Fehlt das, warten typischerweise (deutlich) höhere Betriebskosten (und stärkere Schmerzen) am Projektende.

Das Revival des ESBs

Ein weiterer Trend ist der «Best of Breed»-Ansatz im Bereich der Applikationen. Viele Unternehmen fragmentieren die eingesetzten Lösungen stärker und modularisieren die Landschaft nach Funktionen in unterschiedliche Applikationen, die den jeweiligen Zweck gut unterstützen – der Ansatz «one to rule them all» verliert an Popularität.

Damit erlebt ein Konzept, welches bereits lange in Verruf geraten ist, unter anderer Benennung ein Revival: die Integrationsschicht zwischen verschiedenen Lösungen. Gestern Enterprise Service Bus, heute Microservice-Architektur, Connection Platform, Integration Layer oder unter vielen anderen kreativen Bezeichnungen bekannt.

Auch diese (absolut notwendige) Integrationsschicht weist einiges an Komplexität auf, die wiederum hochqualifizierte Spezialisten für die Planung und den Betrieb benötigt.

Das (Un)verständnis des Managers

Die steigende Komplexität bedeutet auch, dass vielfach die eingesetzten Technologien im Management nicht mehr verstanden werden und dadurch ein hoher Respekt vor dem Einsatz besteht.

Die Konsequenz daraus ist gravierend: Häufig werden dadurch moderne Ansätze verworfen (die vielleicht noch nicht die breite Referenzbasis wie andere Technologien haben), oder es werden moderne Ansätze von Schwergewichten mit teuren Enterprise-Supportverträgen eingekauft – auch wenn häufig nur ein Bruchteil der Funktionalität und des Supports benötigt wird. Diese Konstrukte werden zumeist auch mit einem unvorteilhaften Preismodell versehen: Je nach Nutzung muss mehr bezahlt werden. Das schafft den Anreiz, möglichst wenig von den Lösungen wirklich zu nutzen. Das Resultat sind hohe Kosten, die durch den geschickten und zielgerichteten Einsatz einfach verhindert werden könnten.

Digitalisierung… Jetzt!

Das Stichwort des 10er und 20er Jahre – Digitalisierung. Vielfach unterschiedlich ausgelegt, bedeutet es in letzter Konsequenz jedoch meistens die Abbildung verschiedenster Prozesse in einem System, das ohne Papier auskommt. Es gibt bessere und schlechtere Ansätze, wie digitalisiert werden kann – unabhängig davon, wird es jedoch konsequent gemacht.

Meistens versprechen sich die Projektverantwortlichen dadurch eine Kosteneinsparung – zumeist im Personalbereich. Es sollen also entweder weniger Mitarbeiter für die Abwicklung bestimmter Prozesse eingesetzt werden oder die gleiche Anzahl Mitarbeiter soll in gleicher Zeit mehr leisten können.

Zu oft wird festgestellt, dass zwar wohl Prozesse nach dem Projekt nicht mehr physisch, sondern elektronisch abgewickelt werden (und dadurch die IT-Kosten gestiegen sind), jedoch die Effizienz der Mitarbeiter dadurch nicht massgeblich gesteigert werden konnte.

Sinkende Kosten?

Es scheint also unwahrscheinlich, dass mit zunehmender Komplexität und dem Druck, Prozesse zu digitalisieren, die Kosten der Informatik nachhaltig sinken werden.

Die Vorgabe an den CIO, die Kosten zu senken, ist aus meiner Sicht daher falsch und wenig zielführend. Es ist korrekt, dass die Stückkosten gesenkt werden können – so werden z.B. Speicher und Rechenleistung immer günstiger und besser verfügbar. Eine Kostensenkung ist somit nur dann möglich, wenn die Leistung der Informatik identisch bleibt – und dies ist aus vorgenannten Gründen schlicht nicht möglich.

Was also tun?

Aus meiner Sicht gibt es verschiedene Ansatzpunkte, diesen Herausforderungen zu begegnen:

  • Steigende IT-Kosten sind okay
    Es ist nicht per se verwerflich, dass die Informatik teurer wird. Bei steigender Leistung soll die Informatik auch einen steigenden Anteil an der Kostenstruktur des Unternehmens haben – viel wichtiger ist, dass die Gesamtkosten gesenkt werden können.

  • Digitalisierung bedeutet ein Redesign von Prozessen und (organisatorischen) Schnittstellen
    Nur weil ein Papier als PDF vorliegt, bedeutet dies in meinem Verständnis keine Digitalisierung. Erst wenn es weder PDF noch Papier benötigt und die Daten wenn möglich ohne Zutun von Menschen verarbeitet werden können, kann man von Digitalisierung sprechen.

  • Informatik als Kerndisziplin der Unternehmensführung
    Es ist zwingend, dass ein umfassendes Verständnis für die Funktionsweise von Informatiksystemen in allen Führungsstufen verankert wird. Da von der Informatik verlangt wird, ein Prozessverständnis mitzubringen, darf die Informatik von Fachbereichen auch verlangen, dass sie ein Verständnis für die Informatik mitbringen.